Mein Vater der Held

In liebender Erinnerung an Ardavaz Hairapetian
* 19. September 1940
15. April 2006

Von Marc Hairapetian

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Auf Armenisch

Mein lieber Papa,

 

wo die Worte fehlen, bleiben nur noch Gefühle. Meine Liebe zu Dir lässt sich genauso wenig in Worte fassen, wie der Schmerz über Deinen Tod. Dennoch möchte ich auch an dieser Stelle und in dieser Form an Dich das Wort richten, weil ich schweren Herzens nicht bei Deiner Beerdigung in Teheran vor Ort sein kann.

Die Nachricht Deines Todes traf Mago, Deine Frau und meine Mutter, Siranoush, Deine Enkeltochter und mein Kind, und mich, Deinen einzigen Sohn am Ostermontag vollkommen unerwartet, obwohl wir uns spätestens ab dem Zeitpunkt große Sorgen machten, als Du uns am Telefon mitteiltest, dass Du nur noch 54 Kilogramm wiegen würdest. Du wolltest uns mit Deiner schweren Krankheit nicht belasten. Im Gegenteil – bei jedem Telefonat und in jeder Email nahmst Du vorderrangig an meinem Leben Anteil. Du standest mir auch aus der großen räumlichen Entfernung mit Rat und Tat zur Seite.

Der Schauspieler Mathieu Carriére schickte anlässlich Deines Todes ein Beileidsschreiben, indem er mir schrieb: „ Aus den Briefen Deines Vaters an Dich ging hervor, was für ein herzensguter Mann er war, mit wie viel Empathie und Weisheit er teilnahm an Deinem Schicksal.“ Dem kann ich mich nur anschließen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen hattest Du wirklich Charakter – und zwar einen sehr eigenen und starken. Ich liebte Deine euphorischen Momente, aber auch die Augenblicke, wenn Du nachdenklich und grüblerisch warst. Sehr viel durfte ich von Dir lernen. Von Dir habe ich die Liebe zur Literatur, zum Film, zur Musik und Malerei. Wenn Du etwas machtest, dann immer mit sehr viel Hingabe und Perfektionismus. Du warst ein fantastischer Fotograf und ein ausgezeichneter Maler. Deine Gemälde im Kirchner- oder Van-Gogh-Stil und die von Dir handgefertigten Ikonen schmücken nicht nur unsere Wände. Deine einzigartigen Porträtaufnahmen, bei denen Du die besten Resultate erzieltest, wenn Du die Objekte Deiner Begierde unbemerkt ablichtetest, eifern keinen Vorbildern nach – sie sind typisch Ardavaz Hairapetian. Du brauchtest keine Bedienungsanleitungen oder Schaltpläne, um technische Geräte zu programmieren. Ich habe auch immer Dein mathematisches Genie bewundert – dies habe ich leider nicht von Dir geerbt.

Amacord – mea accorda – ich erinnere mich. Nichts habe ich vergessen: Wie Du in Deiner Sturm- und Drang-Zeit das Elbrusgebirge im Kaukasus allein, ohne adäquate Ausrüstung und Sauerstoffgerät erklommst – sehr zur Verblüffung professioneller Bergsteiger, denen Du auf dem Gipfel in über 5000 Meter Höhe begegnetest (Fotos zeugen von dieser Heldentat). Wie Du am kaspischen Meer von einem Skorpion gebissen wurdest und fünf Minuten „klinisch tot“ warst – und ohne bleibende Schäden wieder zurück ins Leben kamst. Wie Du Wange an Wange mit Mago, Deiner Frau und meiner Mutter, die Dich immer nur Vazik nannte, tanztest – genau so wie es Charles Aznavour in seinem Chanson besungen hat. Wie Du den armenischen Kulturverein in Deutschland gründetest. Wie Du mir als Kleinkind eine große Donald-Duck-Puppe ins Bettchen legtest , vor der ich erst Angst hatte, die dann aber für lange Zeit mein bester Freund wurde. Wie Du als „Mann mit der eisernen Faust“ Spaßkämpfe mit mir austrugst und doch nie grob dabei wurdest. Wie wir zusammen mit Mama um die halbe Welt reisten und in Teheran zu Schah-Zeiten ein märchenhaftes New York des Orients besuchten. Wie Du mich beim Schach meist souverän besiegtest. Wie Du Hölzenbeins Ausgleich-Treffer in letzter Minute beim Europa-Meisterschaftsfinale 1976 exakt vorher sagtest. Wie Du ekstatisch mit mir die bis zum Anschlag der HiFi-Anlage aufgedrehte„Lezghinka“ von Aram Khatchaturian, mit dem Du auf dessen Wunsch in den 1970ern Jahren durch die Nachtclubs Frankfurts zogst, hörtest und zu Maurice Ravels „Bolero“, aber auch dem „Kriminaltango“ der Toten Hosen durch die Wohnung abrocktest. Wie unser erster Hund Habibi, der für Dich ein verzauberter Prinz und im Sinne Victor Hugos die Tugend, die sich nicht zum Menschen machte konnte, war, nachts auf Deiner Brust schlief. Wie wir gemeinsam Gedichtrezitationen von Oskar Werner, den Du den "österreichischen James Dean" nanntest, lauschten. Wie Du 1992 die Layoutmontage von der 16. Edition von SPIRIT – EIN LÄCHELN IM STURM mit leichter, aber genauer Hand ausführtest. Wie wir über unzählige Themen diskutierten – vom türkischen Völkermord an den Armeniern bis zur vermutlichen Entstehung und dem möglichen Ende des Universums. Wie Du kongenial Schauspieler und Politiker parodieren konntest und in der Symbiose von Dallas und DDR die Figur der ewig grinsenden Lucy Honecker kreiertest.

Du warst ein schöner Mann, ein echter Frauenschwarm, voller Zärtlichkeit und Humor, edelmütig , großzügig und gebildet, und immer mein Held, doch in erster Linie bist und bleibst Du mein über alles geliebter Papa, den ich unendlich vermisse.

Ich wollte immer, dass Du stolz auf mich bist. Hoffentlich habe ich Dir nicht allzu viel Kummer und Sorgen gemacht. Mein allergrößter Wunsch war, dass wir wieder alle zusammenleben: Du, Mama, Siranoush, Hokis und ich. Dieser Traum wird sich nicht mehr erfüllen, doch wir bleiben immer eine Familie und auch die Liebe und die Erinnerung bleiben.

Ich bin dankbar, dass wir in den letzten Monaten so engen Kontakt miteinander hatten. Auch meine Tochter gewann Dich durch die sonntäglichen Telefonate lieb. Sie tröstete mich am Ostermontag, indem sie sagte: „Papa, sei nicht zu traurig. Opa geht es nun gut, weil er jetzt im Himmel ist.“ Ich weiß, dass Du nicht sehr religiös warst, doch wenn es einen Himmel gibt, mein lieber Papa, dann wirst Du da fortan zuhause sein, und wir werden uns irgendwann dort wieder sehen. Deswegen ist dies jetzt auch kein Abschied, sondern hoffentlich ein Neuanfang. Wo Liebe ist, ist auch Hoffnung. In diesem Sinn umarmt und küsst Dich Deine Familie, insbesondere Mago, Siranoush und ich, Dein um Dich trauernder Sohn

 

Marc

 

Ich lebe auch für Dich und in Deinem Sinn weiter.

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